Hatte ich mir die erste Woche in Groningen anders vorgestellt. Ja, mit Sicherheit. Ich hatte gehofft am Ende dieser Woche schon einige Menschen kennengelernt zu haben, dank KEI Week. Kennen gelernt habe ich wirklich ein paar, aber nicht wegen der Einführungswoche. Die KEI Week ist die größte Introduction Week in Europa. Und hier kommt der Haken: für Erstsemester. Tja. Schon am Montag beim Abholen meines Eintrittsbandes hatte ich kurz überlegt was -18 und +18 heißen sollte, aber dann doch nicht mehr Gedanken daran verschwendet. Als ich aber am Nachmittag mit 150 anderen in der Aula der Uni saß, wurde mir klar, dass das Durchschnittsalter um mich herum vermutlich 18,5 betragen müsste. Nach den Ausführungen des International Committee war mir dann auch klar, was das Ziel dieser Woche sein sollte: Menschen kennen zu lernen, am besten ‚heavily intoxicated‘. Nachdem dann noch abgefragt wurde, was sich die Kiddies (die auch so von den Höhersemestrigen bezeichnet werden) von der Woche erwarten – 🥦 und 🍆 hauptsächlich – war für mich klar: Granny-Mode an und ab nach Hause, mit Zwischenstopp im Buchhandel, um dann noch ein Cliche zu bedienen. Da kam die nächste Enttäuschung: Die große Buchhandlung von Groningen wird in den nächsten Monaten renoviert.

Party vor der RUG
Dienstagmorgen vorm Hauptgebäude

So entnervt ich vom Montag war, wurde die Woche dann aber stetig besser. Markus und ich hatten dank unzähliger Whatsapp-Gruppen schon Gelegenheit Studis aus Malta und Brasilien kennen zu lernen und mit ihnen Dienstag- und Mittwochabend zu verbringen.

Seit dieser Woche gibt es auch Gerti in meinem Leben: mein Hollandrad, dass ich von nun an gemietet habe. Gefühlt fährt halb Groningen mit diesen Swapfiets, die man ab knapp 20€ pro Monat mieten kann. Fietsen (dt.Radfahren) in den Niederlanden ist quasi ein kulturelles Ereignis, schließlich gibt es hier mehr Räder als Menschen. Nach den ersten gefahrenen Kilometern kann ich auch verstehen warum die Dutchies sich gerne auf diese Weise fortbewegen: Erstens, es gibt kaum Steigung und zweitens, die Übersetzung der Räder funktoniert wunderbar. Demenstprechend flott kommt man durch die Stadt und aus der raus.
Am Sonntag haben Markus und ich unsere erste längere Radrunde unternommen und sind in den Norden von Groningen geradelt und sogar über die Stadtgrenze hinaus. Plötzlich stehen an den Straßenseiten nicht mehr Cafés und Winkel (dt. Läden), sondern Schafe, Pferde, Gänse und Kühe. Von unserem Appartment aus ist man in knapp 30 Minuten am Land. Am Rückweg haben wir uns dann gehörig verfahren und festgestellt, dass wir vermutlich in g’scheide Rad’lhos’n investieren sollten.
Übrigens: Mit Helm fährt hier niemand. Das fällt auf. Eine kurze Recherche ergab, dass die Dutchies einfach den Sinn dahinter nicht sehen. Zum einen rühmen sie sich damit, dass die einzelnen Verkehrsteilnehmenden mehr Rücksicht aufeinander nehmen als im Rest der Welt, und zum anderen meinen sie, dass im Falle eines Unfalls der Helm sowieso nichts bringen würde. Handzeichen geben auch nur die wenigsten. Wir hoffen mal, dass Markus und ich unfallfrei durch unseren Aufenthalt hier kommen.
Markus hat sich übrigens kein Rad gemietet, sondern ein OV Fiets ausgeborgt. Wie er in seinem Blogpost angemerkt hat, kann man mit der OV-Chipkaart auch Räder ausborgen. Für ganz lange Radtouren eignen sich die Fiets vermutlich nicht, aber für die sonntägliche kurze Radrunde hat’s schon gepasst.

Groningen scheint auch die Stadt der Events zu sein. Allein dieses Wochenende hätten wir drei große Veranstaltungen besuchen können. Zwei sind es schlussendlich geworden. Den Samstag verbrachten wir auf der Groningen Pride und den Freitagnachmittag beim Norderzoon, einem acht Tage dauernden Festival. Neben einigen Gratisauftritten verschiedener Bands, gibt es ein massives kulinarisches Angebot. Da schlagen unsere Herzleins natürlich höher. Obwohl manche behaupten, dass die Niederlande keine Essenskultur hätten, sind wir stark begeistert von dem was uns hier kulinarisch geboten wird.

Gefühlt sind wir jetzt irgendwie schon angekommen und mir scheint ich habe von Groningen in diesen paar Tagen schon fast mehr gesehen als von Atlanta in einem Jahr. Von Auskennen und ohne Google Maps nach Hause finden sind wir aber dennoch ein paar Wochen entfernt. Bis bald A.

Besitzen beide Regenjacken. Angekommen quasi.